Minute(n) Lesezeit
Heute habe ich einen Artikel gelesen über die Auschwitz-Prozesse, die vor 60 Jahren endeten. Die Überschrift lautete: „Die Hölle von Auschwitz vor Gericht“.
Solche Texte treffen mich immer wieder. Vielleicht noch stärker, seit ich selbst Vater bin.
Ich erinnere mich daran, dass ich vor Jahrzehnten einmal ein Gedicht geschrieben habe – in einer Phase, in der ich mich viel mit Hölderlin und Brecht beschäftigt habe. Zwei Dichter, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch beide in der Lage waren, die Brüche und Abgründe ihrer Zeit in Worte zu fassen. Brecht mit seiner Schärfe und Klarheit, Hölderlin mit seiner Tiefe und Sehnsucht. Mein eigenes Gedicht entstand in diesem Spannungsfeld – und es war Ausdruck einer inneren Auseinandersetzung mit Geschichte, Politik und Menschlichkeit.
Neulich habe ich dieses Gedicht wieder hervorgeholt. Mit der Hilfe von SUNO, einer KI, die Texte in Musik verwandeln kann, habe ich daraus ein Stück gemacht. Ich wählte einen düsteren, elektronischen Klang – Gothic, Electronic Body Music. So klangen auch die Neunziger, als ich dieses Gedicht schrieb. Das Ergebnis hat mich tief bewegt. Vielleicht auch, weil ich gespürt habe, wie Technologie etwas Vergangenes in die Gegenwart holen kann – nicht als Spielerei, sondern als künstlerische Transformation.
Doch das eigentliche Thema geht weit über Kunst oder KI hinaus.
Es geht um unsere Werte.
Wir erleben gerade eine Zeit, in der vieles in Schieflage geraten ist:
Und währenddessen drehen sich Konzerne und Finanzmärkte weiter im Kreis eines absurden Wachstumszwangs. Gesundheit, Zukunft, Umwelt – alles wird in Rendite verwandelt. Der „Gott des Geldes“ frisst die Werte, die wir als Menschen doch eigentlich hochhalten sollten.
Es wäre Zeit für ein Umdenken.
Zeit, sich wieder an Humanismus und Menschlichkeit zu orientieren.
Zeit, zu begreifen, dass wir nicht nur Wirtschaftssysteme bedienen, sondern dass wir als Menschen Verantwortung tragen – füreinander und für unsere Kinder.
Gerade heute, am Jahrestag des Endes der Auschwitz-Prozesse, sollten wir uns erinnern. Deutschland hat erlebt, wohin es führt, wenn rechte Nationalisten, Nationalsozialisten, mit plumper Parolenpolitik die Unzufriedenen hinter sich sammeln. Es führte zu Barbarei, zu unvorstellbarer Unmenschlichkeit und zu den größten Verbrechen, die auf deutschem Boden jemals geschehen sind.
Erinnerung ist kein Selbstzweck. Erinnerung ist Mahnung.
Wir müssen uns fragen: Wie wollen wir als Gesellschaft leben? Welche Werte wollen wir vertreten – jeder für sich und wir gemeinsam?
Die Antwort darauf kann unbequem sein. Aber sie ist notwendig.
Wo einst der Morgen leuchtete,
steht Asche über den Feldern.
Die Bäume, sie wissen noch,
wie der Rauch sich legte, schwer,
wie Vögel verstummten.
Denn Menschen waren hier,
nackt in den Hallen des Schreckens,
ihr Name und Sein verscharrt in Staub.
Ein Blick,
ein Fingerzeig nach links oder rechts:
Sklave oder Sterben,
kein Gericht, kein Gott,
nur der Blick eines Menschen in Uniform.
Mütter wurden fortgerissen,
Kinder schrien nach den Vätern,
doch die Türen schlugen zu,
verschlossen mit Eisen,
und das letzte Lied
war das Rattern der Züge und das Zischen der Kanister.
Brecht spricht:
„Seht, wie geordnet der Tod wurde,
wie Listen geschrieben,
wie Öfen gebaut,
wie Zahlen notiert,
damit die Tat
nach Arbeit aussehe.“
Und wir, die Erben,
dürfen nicht vergessen.
Denn wer heute schweigt,
wird morgen wieder sehen,
wie Fahnen flattern,
sie Parolen brüllen,
und das Herz der Menschen sich verhärtet.
O Deutschland, Land des Wissens und der Kunst,
wenn du deine eigene Geschichte vergräbst,
dann wächst aus der Erde nicht Korn,
sondern Unheil.
Darum erinnere dich,
nicht aus Schuld nur,
sondern aus Pflicht zum Leben.
Stehe gegen den Ruf der Finsternis,
wo er auch tönt,
in Straßen, in Parlamenten,
im Herzen mancher, die wieder marschieren wollen.
Lasst uns den Schwur erneuern:
Nie wieder soll das Feuer brennen,
nie wieder soll die Nacht
unsere Menschlichkeit verschlingen.
Denn das Vergessen
ist der Bruder der Barbarei.